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Unsere Atmung, der unterschätze Reflex

Was meinst du, wie lange überlebt der menschliche Körper ohne Nahrung?
So um die 10 Tage.
Wie lange schafft er es ohne Wasser?
Circa 5 Tage.
Okay, und wie lange hält er ohne Sauerstoff aus?
Richtig, nur wenige Minuten!


Ein überlebenswichtiger und unterschätzter Reflex  
Rational betrachtet ist uns schon klar, wie wichtig Sauerstoff für unser Leben ist. Doch die Atmung geschieht so automatisch, dass wir ihr nur selten unsere Aufmerksamkeit schenken.  
Allerdings ist sie nicht nur entscheidend dafür, dass wir leben, sondern auch wie wir leben. Wieso es sich lohnt, deine Atemgewohnheiten genauer unter die Lupe zu nehmen und welche Atemübungen dir helfen, deine täglichen Herausforderungen zu bewältigen, erfährst du in unserer Artikelreihe zum Thema Atmung!

 

Die Atmung ist ein unterschätzter Prozess. Als überlebenswichtiger Reflex findet sie statt, ohne, dass du auch nur einen Gedanken an sie verschwenden musst. Doch kommen wir direkt zu den Fakten.

Take-Home Message #1: Die Atmung ist der einzige Reflex, den du bewusst steuern kannst.

Warum das wichtig ist, nehmen wir direkt einmal genauer unter die Lupe …

 

Wie wir das Atmen verlernt haben  
Normalerweise atmet ein erwachsener Mensch im Ruhezustand um die 12-15 Mal pro Minute und lässt mit jedem tiefen Atemzug etwa 2,5 Liter Luft durch den Körper zirkulieren.  
Die Atemfrequenz wird vom Atemzentrum reguliert, das im Hirnstamm sitzt. Eine Aufgabe des Atemzentrums ist es, den Kohlenstoffdioxid- (CO2) Gehalt im Blut zu kontrollieren. Ist er zu hoch, atmest du automatisch schneller, um überschüssiges CO2 an die Umwelt abzugeben. Ist er zu niedrig, passiert das Gegenteil und du atmest langsamer. So die Theorie …  
Doch aus unterschiedlichsten Gründen haben wir gelernt, flacher und unregelmäßig zu atmen. Das kann an dem permanenten Alltagsstress liegen, an einer unbeabsichtigten Gewohnheit, die sich mit der Zeit gebildet hat. Statt 2,5 Liter pro Atemzug werden im Schnitt gerade mal 0,5 Liter Luft eingeatmet. Die Folge ist, dass von unseren rund 750 Millionen Lungenbläschen etwa nur jedes Zwanzigste genutzt wird und dadurch viel weniger Sauerstoff ins Blut gelangt! Die inneren Organe und das Gehirn werden unterversorgt und können nicht mehr ihre optimale Leistung bringen. Kein Wunder, wenn ohne ausreichend Sauerstoff keine produktiven Höchstleistungen mehr drin sind und wir eine Chance auf Flow verpassen …

 

Sie wirkt die Atmung auf dein Nervensystem  
Doch glücklicherweise lassen sich ja neue Gewohnheiten formen! So kannst du durch bestimmte Atemtechniken für genug Sauerstoff sorgen und dein Energieniveau an deine aktuelle Herausforderung anpassen: für einen Energiekick am Nachmittag oder auch für mehr Gelassenheit und Entspannung inmitten der Alltagshektik.
Durch die Atemtechniken regulierst du nämlich dein autonomes Nervensystem, das sich aus zwei Gegenspielern zusammen: Dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Die zwei haben ihre Aktivität gut aufeinander abgestimmt und kontrollieren die Funktion verschiedener Organe, wie bspw. die Herzfrequenz, Verdauung, Schweißproduktion und … die Atmung!

Take-Home Message #2: Durch die Atmung kannst du das autonome Nervensystem regulieren, um dein Energieniveau und den Sauerstoffgehalt im Körper zu beeinflussen und Flow wahrscheinlicher zu machen.

Der Aktionsmodus  
Für alle Neugierigen unter euch, die es ganz genau wissen wollen:
Der Sympathikus ist das Aktivierungssystem in deinem Körper. Seine sogenannten Ganglien, also Anhäufungen von Nervenzellen, liegen direkt am Rückenmark. Diese Ganglien haben ihre Fasern wiederum mit den Muskeln, dem Herzen und bspw. den Schweiß- oder Speicheldrüsen verbunden. Unter Aktivierung oder Stress wird der Sympathikus aktiviert und kann so in Windeseile für eine Anspannung der Muskeln, Schweißproduktion und einem beschleunigtem Herzschlag sorgen – er bewirkt den bekannten “fight-flight-or-freeze”-Effekt. Falls du dich also schon mal gefragt hast, wer für deine schwitzigen, zittrigen Hände bei einem wichtigen Vortrag verantwortlich ist – hier hast du den Schuldigen. Früher war diese blitzschnelle Reaktion überlebenswichtig, um z.B. vor Raubtieren zu fliehen oder die Energie für einen Kampf gegen Angreifer aufzubringen. Durch eine lange Einatmung oder bspw. einer kontrollierten Hyperventilation aktivierst du den Sympathikus. Ein Gähnen – eine lange Ein- und kurze Ausatmung – kann also ein nett gemeinter Anstoß deines Körpers sein, um dich an den Tagen zu pushen, an denen du nur schwer deinen Hintern von der Couch bekommst 😉

 

Der Entspannungsmodus  
Der Parasympathikus hingegen arbeitet ganz im Namen der Entspannung und sorgt für den “rest-and-digest”- Effekt. Seine Aufgaben bestehen u.a. darin, den Puls wieder zu verlangsamen, den Blutdruck zu senken, die Verdauung anzukurbeln und die Atemfrequenz zu verlangsamen. An allen Tagen, an denen du nur so im Stress versinkst – das E-Mail Postfach überquillt, sich unerledigte Aufgaben auf deinem Schreibtisch türmen, der Kalender mit Terminen nur so vollgestopft ist und dir der verspätete Bus noch den letzten Rest gibt – kannst du mithilfe deiner Atmung den Parasympathikus stimulieren und so Körper und Geist herunterfahren! Einmal “tief durchatmen” – damit ist der erste Schritt schon getan.

 

Atemtraining für nachhaltige Leistungsfähigkeit und Flow  
Dass diese Zeit für ein paar bewusste Atemzüge gut investiert ist, belegen schon zahlreiche Studien. Atemübungen reduzieren nämlich dein Cortisol-Level und so auch deinen Stress. Außerdem mindern sie Depression und fahren die Aktivität der Amygdala herunter, sodass Angstzustände abnehmen. Darüber hinaus kannst du durch tiefe Atemzüge positive Emotionen fördern und auch deinen Blutdruck senken. Sogar das Risiko für Burnout wird durch langsames, tiefes Atmen verringert.

Take-Home Message #3: Die Forschung zeigt die zahlreichen Vorteile von Atemübungen, kurz gefasst: weniger Stress, mehr Wohlbefinden!

Du wirst merken, wie ein Bewusstsein für deine Atmung auch deine Produktivität steigert. Wie du vielleicht schon weißt, brauchst du für Flow die goldene Mitte aus Aktivierung und Entspannung – also sowohl sympathische als auch parasympathische Interaktion. Je nachdem, wie hoch dein Energieniveau durch deine aktuelle Herausforderung schon ist, kannst du also mit der Atmung noch ein bisschen nachhelfen, um deine perfekte Balance aus Entspannung und Produktivität zu finden. In den weiteren Teilen dieser Serie erfährst du dafür die bewährtesten Atemtechniken, die dir helfen, diese Balance und so auch deinen Flow zu finden.