Flow

Flow: Was ist das eigentlich?

Wenn nicht gerade, wie letztes Wochenende, das Flow Festival in Helsinki stattfindet, wird der Instagram-Hashtag #flow vor allem von drei Arten passionierter Menschen dominiert:

 

• talentierte Rapper mit besonders lässigem Redefluss,
• biegsame Yoginis, die durch ihren #vinyasaflow gleiten und
• athletische Fitnessfreaks, die mit einer #animalflow-Routine das Thema Functional Fitness auf das nächste Level bringen

 

Außerhalb dieser Bereiche wird der Begriff “Flow” inflationär für so ziemlich alles verwendet, was sich gut anfühlt oder ein positives Lebensgefühl beschreibt. Auch das englische Idiom “just go with the flow” hat mit dem Flow-Begriff aus der positiven Psychologie nicht mehr viel zu tun. Der Ratschlag, “einfach mit dem Strom zu schwimmen” und passiv das zu tun, was alle machen, klingt zwar nach lässigem Treibenlassen, lässt aber gänzlich die aktive Dimension des Flowzustands, die die Flow-Erfahrung zu einem produktiven Schaffensrausch macht, außer Acht.

Durch die inflationäre Verwendung des Wortes "Flow" wird der ursprünglich klar definierte Flow-Begriff zunehmend verwässert.

Das ist sehr schade, denn Flow ist weit mehr als nur ein cooles Modewort. Und wenn wir das Flow-Phänomen einmal richtig verstanden und verinnerlicht haben, kann es uns als starker Leitfaden und Wegweiser für ein produktives und erfülltes Leben dienen.

 

Wie fühlt sich Flow wirklich an?

 

So ziemlich jeder von uns ist schon mal in den Flow gekommen und hat komplett das Gefühl für die Zeit verloren. Wir haben drei Stunden hochkonzentriert an einer Aufgabe gesessen und es fühlte sich an wie zehn Minuten. Wir waren voll auf die Aufgabe fokussiert, die wie von selbst zu laufen schien, in der wir keinerlei Selbstzweifel gefühlt haben und alles absolut reibungslos lief.
Im Flow sind wir zu außergewöhnlichen Leistungen im Stande, da unser Handeln wie von selbst zu fließen scheint. Ein Gedanke reiht sich fließend an den nächsten, eine richtige Entscheidung folgt nahtlos der nächsten. Umgangssprachlich und in treffender Übersetzung beschreibt man diesen Zustand daher auch mit ‚im Fluss sein’. Wir genießen jede Sekunde, selbst wenn wir eigentlich schwierige Probleme lösen. Während des Flow-Erlebens nehmen wir uns selbst und uns sonst belastende Probleme kaum mehr wahr, sondern sind ganz versunken in unsere aktuelle Tätigkeit. Daneben ist Flow geprägt durch ein starkes Gefühl der Kontrolle bzw. des kontrollierten Vorgehens, bei dem wir in jedem Moment intuitiv zu wissen scheinen, was als nächstes zu tun ist.


Viele Menschen kennen dieses Erleben aus eigener Erfahrung. Häufig genannte Aktivitäten, die besonders geeignet sind, um Flow hervorzurufen, sind das Musizieren, Sport, intensive Gespräche, aber eben auch das Lernen oder Arbeiten — z. B. das Schreiben eines Textes, das Analysieren von Daten oder das Lösen von Aufgaben im Team. Flow- Erleben ist also keineswegs nur ein Phänomen im Bereich von Freizeitaktivitäten, vielmehr lässt es sich auch — wie Forschungen bestätigen — gerade beim Arbeiten beobachten. Flow ist dabei kein Phänomen rein individueller Tätigkeiten, sondern kann auch in sozialen Kontexten erlebt werden, wie im Gespräch mit Freunden oder bei der Arbeit im Team.

 

Natürlich können wir nicht erwarten, dass wir permanent auf Knopfdruck in den Flow finden und den ganzen Tag restlos in allem aufgehen, was wir tun, aber wir sollten zumindest dafür sorgen, dass sich unser tägliches Leben auf der Arbeit und in der Freizeit häufiger wie ein glückseliger, müheloser Schaffensrausch (Flow) und seltener wie ein aussichtsloser Überlebenskampf (Struggle) anfühlt.

Wie entsteht Flow?

 

Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir zuallererst die wichtigste Grundvoraussetzung für Flowzustände verstehen: Um Flow zu erfahren, müssen wir eine Aufgabe als optimale Herausforderung wahrnehmen. Das bedeutet konkret, dass das wahrgenommene Verhältnis der eigenen Fähigkeiten und der Schwierigkeit der zu bewältigenden Aufgabe ideal ausbalanciert ist. Halten wir eine Aufgabe für viel zu schwer oder unlösbar, empfinden wir schnell Angst, Stress und Frustration. Unterfordert uns eine Aufgabe auf der anderen Seite komplett, ist das nicht weniger unbefriedigend, da wir uns nutzlos, gelangweilt und stellenweise vielleicht sogar apathisch fühlen. Ist eine Aufgabe genau so schwierig, dass wir glauben, sie gerade so bewältigen zu können, ist die Grundvoraussetzung für Flow geschaffen.

 

Interessanterweise ist also eine Form von Aktivierung durch Stress nicht grundlegend schlecht sondern sogar notwendig für Höchstleistung und Wohlbefinden im Alltag. Entscheidend ist dabei, dass wir lernen, mit Stress und Leistungsdruck so umzugehen, dass wir nicht darunter zerbrechen, sondern die Herausforderungen annehmen und durch Flow in Energie und Fokus umwandeln.

 

Take-Home-Message #1: Um in den Flow-Zustand zu kommen, muss man gefordert werden.


Flow als psychologisches Phänomen

Der Begriff Flow wurde von dem amerikanisch-ungarischen Psychologie-Professor Mihaly Csíkszentmihályi geprägt und ging Anfang der 70er Jahre in die Wissenschaft ein.
Flow (englisch: fließen, strömen, wallen) beschreibt einen mentalen Zustand von völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit. In diesem Zustand scheint alles wie von selbst zu laufen. Daher wird Flow auch oft als Schaffensrausch bezeichnet.

 

Flow ist besonders im Leistungssport gut erforscht und wird dort auch explizit trainiert. Auch unter Musikern und Komikern ist dieser Zustand ein bekannter und erstrebenswerter Zustand, auch wenn er jeweils anders benannt wird.
Um dir ein besseres Verständnis für Flow zu vermitteln, haben wir von Flowletics für dich die Komponenten von Flow gesammelt, die Csíkszentmihályi in seinem Werk „Flow – Theory and Research“ (2001) beschreibt.

 

Intensive Konzentration auf den Moment und die Aktivität – du bist voll bei der Sache und konzentrierst dich ganz auf das, was du gerade tust. Die Vergangenheit und die Zukunft spielen gerade keine Rolle.

 

Verschmelzung von Aufmerksamkeit und Handlung – als Folge der völligen Konzentration kommt es im Flow zu einem Erlebenszustand, in dem du eins bist mit deiner Aktivität.

Flow Check #1: Wie häufig kommt es vor, dass du richtig konzentriert bist?

Fehlende Selbstwahrnehmung – Als Folge dessen erlebst du dich nicht mehr als handelndes Selbst und vergisst gänzlich deine Rolle oder Identität innerhalb einer sozialen Gruppe.

 

Das Gefühl von Kontrolle über die Situation und deine Handlungen – Wenn du im Flow bist, hast du das Gefühl, dass wirklich alles in deiner Hand liegt.

 

Das Gefühl von Zeitlosigkeit – Im Flow erlebst du die Zeit anders als normalerweise. Eine Minute kann sich wie eine Stunde anfühlen oder Stunden können vergehen wie Sekunden.

 

Autotelisches Handeln – Du agierst und handelst nicht, weil dir das Ergebnis der Handlung wichtig ist, sondern bereits die Aktivität selbst wird als Befriedigung erlebt. Das Ziel der Tätigkeit liegt also in der Handlung selbst.

 

Unmittelbares Feedback – Im Flow erhältst du stetiges und unmittelbares Feedback zu deinen Aktionen und deinem Handeln.

Flow Check #2: Wie häufig kommt es vor, dass du das Gefühl hast, alles unter Kontrolle zu haben?

Zuversicht auf Erfolg – Im Flow stellt sich nicht die Frage, ob du erfolgreich sein wirst mit dem, was du tust. Du tust es einfach. Selbstzweifel oder Zweifel an deinen Fähigkeiten existieren in dem Zustand nicht.

 

Alle körperlichen Bedürfnisse werden in den Hintergrund verschoben – Du bist vollständig auf die Aufgabe fokussiert und deine persönlichen und/oder körperlichen Bedürfnisse spielen in dem Moment (auch wenn er Stunden dauert) keine Rolle.

 

Balance zwischen wahrgenommener Anforderung und wahrgenommenen Fähigkeiten –Um in den Flow zu kommen, ist es notwendig, dass du davon überzeugt bist, dass du der Situation mit deinen Fähigkeiten und Fertigkeiten gewachsen bist. Die Anforderungen an dich dürfen dabei nicht zu niedrig sein, denn sonst gerätst du in die Teilnahmslosigkeit.

Flow Check #3: Wie häufig kommt es vor, dass du das Gefühl hast, dass die Schwierigkeit der Aufgabe genau auf deine Fähigkeiten passt?

Klarheit der Ziele – du bist dir in jedem Moment über deine Ziele im Klaren und weißt genau, was als nächstes zu tun ist.

 

Die Mühelosigkeit des Handlungsablaufs – während du die Aktivität ausübst, fühlt es sich an, als würde alles wie von selbst passieren und es kostet dich daher auch keine Mühe, die Handlung zu steuern.

Flow Check #4: Wann warst du das letzte Mal im Flow und welcher Aktivität bist du dabei nachgegangen?

Wie du siehst, ist Flow ein vielseitiges Phänomen, dass nicht bewusst herbeigeführt oder erzwungen werden kann. Flow kann lediglich vorbereitet werden, indem du die externen (umweltbezogenen) und internen (mentale und emotionale Fitness) Voraussetzungen schaffst und dich dann dafür öffnest, dass dein Geist und dein Körper plötzlich den Hebel umlegen.

 

Take-Home-Message #2: Du kannst Flow nicht erzwingen. Er kann nur eintreten, wenn du dazu bereit bist, dich dem Erleben ganz zu öffnen und dich von der Erfahrung überraschen zu lassen.

 

 

“Of all the virtues we can learn,
no trait is more useful, more essential
for survival, and more likely to improve
the quality of life than the ability to
transform adversity into an enjoyable challenge.”
— Mihály Csíkszentmihályi

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Literatur:

Stangl, W. (2018). Stichwort: ‚Flow‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.

Nakamura, J.; Csikszentmihályi, M. (20 December 2001). „Flow Theory and Research“. In C. R. Snyder Erik Wright, and Shane J. Lopez. Handbook of Positive Psychology. Oxford University Press. pp. 195–206. ISBN 978-0-19-803094-2

Greve, 2016. Organizational Flow. Der leichte Weg zur Höchstleistungsorganisation

Csikszentmihalyi, 2017. Flow. Das Geheimnis des Glücks